Das dritte Hirn

dritter und letzer Fortsetzungsband

2. Auflage   | 144 Seiten  | 14,80 Euro

»Alle (zehn) Jahre wieder kommt ein Hirn hernieder…«

Im Jahre 2005 erschien das Hirn III - diesmal allerdings in völliger medialer Stille. Wegen einer darin enthaltenen Philippika gegen den »Schwarzen Erwin« - neben dem »Schwarzen Veri« der »andere Räuberhauptmann aus dem Oberland« - wurde es bis heute in »Presse, Funk und Fernsehen« totgeschwiegen.
Auch hier zieht der Autor mit seiner unverschämt frechen, aber segensreichen Feder trotz verlegerischer Zensur (und das schon beim Titelbild !) witzig und respektlos gegen die hirnrissige Zerstörung seiner schwäbischen Heimat und deren hirnarme Urheber zu Felde.

Vorwort

Anno 1985 erschien Hirn I (»Herr, schmeiß Hirn ra!«) und wurde dank der Mundpropaganda einer intelligenten Leserschaft, die vom Nobelpreisträger bis zum Straßenkehrer reicht, über Nacht zum Bestseller. Das unter anderem mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnete Büchlein ist ein einziger Hilfeschrei und Schienbeinstoß gegen die allübermächtige Beton- und Asphaltmafia gewesen und hat mit dem nach Abzug der diesen Staat unterstützenden Steuern übriggebliebenen Erlös zur Hälfte der damals so bezeichneten »Dritten Welt« in ihrer andauernden Not geholfen, mit der andern Hälfte aber erfreulicherweise dazu beigetragen, mit der Restaurierung der Raffschen Scheuer im Herzen Alt-Degerlochs samt dem dazugehörigen Bauerngarten ein Zipfele irdischen Paradieses aus den glücklichen Tagen der Kindheit in die betongrau(slig)e Gegenwart hinüberzuretten. Dankschee!

Anno 1995 erschien Hirn II (»Mehr Hirn!«), und seither sind aus dem Erlös dieses Büchleins eingedenk der schönen Devise »ex occidente pecunia« schon über 1,25 Millionen Mark in den Hohen Dom in Loriots Vaterstadt Brandenburg an der Havel geflossen - in dessen Fundamente in Form von (unsichtbarem !) Beton. Damit hast »Du edle Seele des Westens«, verehrte Leserin, geneigter Leser, »wesentlich zu seiner Rettung beigetragen.« Dankschee!

Und in der Hoffnung, dem Neid seiner leider weniger absatzträchtigen Schreiberkolleg(inne)en wenigstens ein bißle zu entgehen, hat der von seiner 1989 mit 182 Mark Monatsrente verstorbenen Mutter Anna Raff und seiner Großmutter Luise Raff (1887-1980) zum Verschenken verzogene Verfasser auch den gesamten Erlös seiner anderen Bücher (»Raffs Raritäten«« 1998, »Die schwäbische Geschichte« 2000, »Eiserne Ration« 2003) in voller Millionenhöhe in alle Welt verstiftet. Gleiches gilt für die drei 1988, 1993 und 2002 erschienenen Wirtemberg-Bände, die der seit Neujahr 1979 stellungslose und seither nulltariflich besoldete Historiker bisher herausgebracht hat.

Und es ist den vor Geldgeilheit strotzenden Geizkrägen dieses Landes vielleicht entgangen, daß er außer dem Ertrag seiner Feder, auch noch den seiner Gosch - und zwar seit Abituriententagen - voll verschenkt. So hat er mit seinen teilweise über 250 »Benefizschwätzereien« pro anno in den letzten Jahren jährlich jeweils die Summe von knapp einer halben Million Euro »errafft«. Ja sie vielleicht sogar übertroffen, wenn er auch seine Spesen sowie die dank ausgeteilter Überweisungsscheine nachträglich noch eingegangenen Spenden mitrechnen würde. Ein schönes Beispiel: Stadtkirche Bietigheim für die »Kinder von Tschernobyl« am Vortragsabend 2 294 Euro in der Opferbüchse, nach acht Tagen 5 643 Euro ... Dankschee!

Dies alles bei einem seit 1998 konstanten Bruttowochenlohn von 154 Euro von der »Stuttgarter Zeitung«, zu dem erfreulicherweise seit Mai 2003 noch 100 Euro Bruttomonatslohn vom »Evangelischen Gemeindeblatt« hinzukommen. Mehr bezahlte Arbeit gibt es für ihn in diesem Lande der intriganten Parteibuchkarrieristen und katzbuckelnden Politschleimer anscheinend nicht. Ein im Dezember 1974 beim Südpreußischen Rundfunk eingereichtes Manuskript mit der Bitte um Mitarbeit ist bis heute ungesendet und selbige unbeantwortet geblieben, und in der von einem Herrn aus der Lausitz geleiteten Sendung »Von Land und Leuten" durfte der »meistgelesene Dialektautor der Gegenwart" in 22 Jahren ganze 35 Sekunden ans Mikrophon. Und das auch nur, weil sein Gedicht »Am Grabe Gottlieb Daimlers« bei einem Dialektwettbewerb des Senders ausgezeichnet worden war. Dies hat ihm übrigens die lebenslange Freundschaft mit Thaddäus Troll eingebracht ... Dankschee!

Seine unter solchen Umständen schon als pervers zu bezeichnende Spendabilität ist einerseits Ausdruck der Dankbarkeit a) für Frieden, Freiheit und Gesundheit und b) für die Gnade der schwäbischen Geburt, andererseits ein Zeichen hilflosen Protestes gegen die im Lande so grassierende Habgier und Dummheit.

Und nun erscheint anno 2005 Hirn III (»Das dritte Hirn«). Und wie die dritten Zähne ist dies auch das letzte Hirn. Anno Domini 2015 wird die Prophezeiung von Sebastian Blau auf seinem Sülchener Grabstein wohl eingetroffen sein:

»Bald wird der Lautenschlag des lebendigen Schwäbisch verstummen.«

»DESINET AUDIRI MOX INTEGRA SVEBA LOQVELA. «

Degerloch auf den (zerstörten) Fildern,
am 737. Todestag Konradins von Schwaben

LESEPROBE

König Konradin
Onser lieber armer Konradin isch als »schwäbisch-bayrische Koproduktion« am 25. März 1252 en dr Burg Wolfstein bei Landshut uff d'Welt komme. Grad fuffzehn Monat nachdem sein genialer Großvatter, der Kaiser Friedrich Il., en Fiorentino en Apulien gstorbe gwä isch. Ond wie no au sei Vatter, der Stauferkeenig Konrad IV., anno 1254 en Lavello bei Melfi an dr Malaria stirbt, heiratet sei Muetter, dui bayrische Herzogstochter Elisabeth, den Graf Meinhard von Tirol, ond ihr Brueder, der Herzog Ludwig II. der Strenge von Bayern, ziegt des Büeble helfe uff. Ond sorgt drfür, daß der mit seine zwoi Jahr scho den Titel »Dux Sueviae«, Herzog von Schwaben kriegt.

Ond onser Konradin isch mit dr Zeit »zu einem großen, schönen Jüngling herangewachsen« ond a gscheiter Kerle worde, hat sogar des Große Latinum gmacht ond bei de Minnesänger des Dichte glernt. Ond uff sei Sach en Italie dahonne hat solang sei Onkel Manfred von Manfredonia uffpaßt. Ond des hat dem »traditionell stauferfeindlichen Papst« net paßt, ond deswege hat'r den Jonge vom Franzosekeenig Ludwig VIII., den grausliche Karl von Anjou-Drexou, gege ons uffghetzt ond ihm dui sizilianische Keenigskrone uffgsetzt. Ond ausgrechnet gege den hergloffene Schlamper verliert onser gueter Manfred am 26. Februar 1266 dui Schlacht bei Benevent ond sei Lebe.

Ond jetz kommet die staufertreue Italiener, die »Ghibellinen« (=Waiblinger), uff hie ond bittet ond bettlet drom, daß der »Corradino« den »ultramontanen Usurpator« wieder hoimschickt ond »sein rechtmäßiges Erbe in Italien antritt«. Ond onser Konradin verkauft seine ganze Konfirmandegschenk ond versetzt sei ganz Sach em Versatzhaus ond stellt a Heer zamme, ond em Herbst 1267 zieget se los nach Verona, verbrenget dort de Wenter, ond em April send se em staufertreue Pisa, em Juni em staufertreue Siena, em Juli en Rom, ond älle freuet sich über onsern Bsuech, außer nadierlich der Papst Klemens IV. en Viterbo ond sein Kumpel Karl en Napoli.

Ond älles lauft wunderbar für den Konradin, fast ganz Sizilie ond Apulie isch scho zu ihm übergloffe gwä, bloß en dem »seit alters stauferfeindlichen Kampanien« ond en de Abruzze hat der Anjou sich no halte könne. Ond am 18. August zieget mr los von Rom ond am 23. August kommt's bei Tagliacozzo zur Schlacht, ond mir hend scho gmoint, mir hend se gwonne, leget onsre Schwerter uff d'Seit ond holet onsern Schwartemage ond onsern Luckeleskäs raus, ond uff oimol kommt der Karle mit seiner Reserve aus dem Henterhalt ond trifft ons rnittle beim Vesper. Ond mir sauet Hals über Kopf drvo bloß no mit Messer ond Gabel bewaffnet, ond en Torre Astura am Meer will dr Konradin mit'me Schiff nach Sizilien, wo seine treue Pisaner grad dui angiovinische Flotte gschlage ghet hend.

Aber no schnappt so a Mafiaboß namens Giovanni Frangipani onsern Konradin ond seine Kamerade ond liefert se gege en Sack voll Silberling an den Anjou aus. Ond der sperrt se älle mitnander en des Castel dell'Ovo en Neapel nei, ond was jetz folgt, isch so osagbar gemein ond traurig ond herzzerreißend, daß dr Professer Hansmartin Decker-Hauff en Dibenge wie sein Wiener Professer Hans Hirsch emmer Träne en de Auge ghet hat, wenn'r des verzählt hat: Am 29. Oktober 1268 (»einem der schwärzesten Tage der europäischen Geschichte«) läßt dieser Kotzbrocke Karl von Anjou-Drexou dem »Chunradus. Dei Gratia Ierusalem Et Sicilie Rex. Dux Swevie« uff dem Marktplatz von Neapel de Kopf raschlage. Ond mit ihm sterbet uff dem Schafott »zwölf treue Gefährten«, Italiener wie Deutsche, dronter au sein om drei Jahr älterer bester Freund, sein schwäbischer Landsmann Markgraf Friedrich von Baden (dr Enkel von dem Stuttgarter Stadtgründer Hermann V. von Baden !). Ond mr könnt grad losheule, daß au 750 Jahr nach Konradin und 50 Jahr nach Wohleb so viele Hamballe in »Presse, Funk und Fernsehen« emmer no diesen Schafscheiß vom Gegesatz der »Badener und Schwaben« verzapfen ...

Onsern Konradin samt Kamerade hend se am Strand verscharrt. A paar Jahr später aber hat sei Muetter dort direkt am Märkt helfe a Karmeliterkirch baut, dui Santa Maria del Carmine, ond seine Boiner überführe lasse. Ond seit 1847 lieget se dort jetz en dem Sockel vom Bertil Thorwaldsen seim Konradindenkmal. Ond da leget die »Ghibelline« au heut no emmer wieder Bleamle druff. Denn wie anders, wie viel glücklicher wär dui Weltgschicht wohl verloffe, wenn der Konradin grad so a gueter Kaiser worde wär wie sein Großvatter Federico Secondo.

»Der König der Konstrukteure«
Sei Ururgroßmuetter isch dui Maria Dorothea Hahn (1713-1780) gwä von Sielmenge uff de Filder, dui Schwester von dem »wahrhaft Newtonschen Kopf« Philipp Matthäus Hahn (1739-1790) seim Vatter. Ond uff d'Welt komme isch mein Urgroßonkel Wilhelm am 9. Februar 1846 en Heilbronn als zwoitältester von dene fönf Buebe vom Schreinermeister Christian Carl Maybach (1813-1856) aus Löwenstein ond dem Böblenger Schuehmachersmädle Louise Barbara, geborene Dannwolf (1814-1854).

Ond en dene schlechte Zeite seinerzeit isch dui Schreinerei eigange, ond die Maybach send anno 1850 uff Stuegert zoge, ond der Vatter hat en dr Klavierfabrik Schiedmayer gschafft. Ond der Wilhelm isch acht Jahr alt, da stirbt ihm sei Muetter weg, ond er isch zehn, da zieget se sein Vatter aus dem Böblenger See, ond se saget gnädigerweis, der verzweifelte Ma sei »ertrunken«.

Ond en dr Zeidong kommt a herzergreifende Annonce mit der »Bitte an edle Menschenfreunde für 5 vater- und mutterlose Knaben von 12 bis 4 Jahren«. Ond Gott sei Dank liest dui der edle Menschenfreund Gustav Werner (1809-1887) ond holt die Woisekender en sei Bruderhaus nach Reutlenge, ond nach dr Schuel ond Konfirmation därf der Wilhelm a Lehr mache en dr »Maschinenfabrik zum Bruderhaus« ond wird technischer Zeichner. Ond der Fabrikdirekter hoißt grad Gottlieb Daimler (1834-1900), ond der merkt glei, was der jonge Kerle für a Käpsele isch, ond läßt ihn voll seiner Lebtag bei sich schaffe, en Karlsruhe, en Deutz, ond seit 1882 en Cannstatt, wo die zwoi em Gottlieb seim Gartehäusle mit Erfolg an ihrer Weltrevolution romtüftlet.

Ond des därf mr ruhig sage, ohne den geniale ond schwäbisch bescheidene Maybach hätt dr Gottlieb jedefall sicher heut no koi Auto erfonde, denn onter ons »die meisten Patente von Maybach laufen auf Daimlers Namen« ...

Ond wie dr Gottlieb des Maulbronner Apothekerstöchterle Emma Pauline Kurz (1843-1889), heiratet, lernt dr Wilhelm bei dr Hochzich dere ihr Freundin, des Maulbronner Wirts- ond Posthalterstöchterle Bertha Wilhelmine Habermas (1851-1931), kenne, ond nach zehn Jahr (!) Verlobungszeit därf'r se no endlich heirate, ond en ihrer »sehr glücklichen Ehe« hend se oi Mädle ond zwoi Buebe, ond dr oine drvo isch der seim Vatter kongeniale Konstrukteur Karl Maybach (1879-1960).

Anno 1890 hend se dui »Daimler-Motoren-Gesellschaft« (DMG) gründet, ond dort hend sich jetz so kapitalistische Krämerseele ohne jeden technische Verstand broitgmacht ond den Gottlieb uff d'Seite druckt ond dem Wilhelm so en miese Vertrag gebe, daß der von selber gange isch ond a Versuchswerkstatt en Cannstatt uffgmacht hat. Aber wie's no mit dere DMG abersche gange isch, hend se ihn glei wieder gholt ond em Dezember 1895 zom Technische Direkter gmacht. Ond zorn Dank baut er den erste Daimler-Lastwage, des erste Daimler-Taxi ond den erste Daimler-Omnebus. Ond anno 1900 - dr Gottlieb isch grad gstorbe gwä ond hat den Welterfolg nemme verlebt - konstruiert dr Maybach den erste Mercedes ond wird jetz weltberühmt als »König der Konstrukteure«.

Ond vor lauter Tag- ond Nachtschafferei, nach »jahrzehntelangem Raubbau mit seinen Kräften« ond dem ewige Gehändel mit dene gschissene Schärhoulderwälljuhschlurger wird'r herzkrank, ond die Intrigante ond Neider en dr Firma mobbet ihn 1907 voll naus, ond em Ruhestand hilft'r seim Karl bei seine Zeppelin- ond Flugzeugmotore, ond lebt als »Vater des Automobilismus von der Gesellschaft hochgeachtet und verehrt«, vom Kaiser ond Keenich mit hohe Orde vollghängt en Cannstatt en seim Haus en dr Freiligrathstraß 7. Ond dort stirbt der gscheite ond fromme Ma am 29. Dezember 1929 an're Longeentzöndong ond wird uffm Uffkirchhof net weit weg von seim Gottlieb vergrabe.

Ond en dr Zeidong he nd se gmoint, »in der Geschichte des Automobilbaus wird ihn die Welt als einen der genialsten Konstrukteure ehren.« Ond daß se jetz dieses »superteure und edle Untertürkheimer Spezialfahrzeug für Diktatoren, Drogenbarone, Zuhälter und Schlagersänger« uff sein guete Name daift hend, wer woiß, ob ihn des freut. So wie mir onsern guete Wilhelm kennet, hätt der statt desse scho lang en Karre konstruiert, wo mit Neckerwasser lauft.


Wohltätiges Weibsbild
»Die schwäbische Astrid Lindgren« isch am 17. Mai 1848 als Antonie Louise Christiane Marie Sophie von Baur-Breitenfeld en Ludwigsburg em Palais Graevenitz uff d'Welt komme. Ihr Vatter hat dort als Generalfeldzeugmeister gschafft, isch bald druff Kriegsminister worde, ond hat dui Lina Freiin von Kerner gheiratet ghet, ond dere ihr Onkel isch der Dichterdokter Justinus Kerner en Weinsberg gwä. Ond nadierlich au mit Hauff ond Hölderlin verwandt.

Dui Tony, des siebte ond letzte Kend von ihre Leut, isch afangs a rechts Dürfzgerle gwä, ond kaum ebber hat glaubt, daß dui durchkommt. Mit dr Zeit aber isch se a »freundliches, wohlgenährtes« Mädle worde, ond ihre Gschwister hend se als »Dickerle« ond »Dummerle« ghänselt, ond se wär doch so gern au so schee gwä wie ihre ältre Schwestre.

Als »höhere Tochter" hat se erst en Hauslehrer ghet ond isch no fönf Jahr lang uff so a vornehms Töchterinstitut gange ond hat dort älles glernt, was mr zom Heirate braucht, Koche ond Konversatio, Nähe ond Religion, Englisch ond Franzeesisch.

Am liebste aber hat se Büecher glese ond Bildle gmalt ond Gedichtle gmacht, ond wie ihr berühmter Großonkel Kerner ihr Sach liest, gratuliert'r ond sait zu dem elf jährige Mädle: »Dicht weiter, deine Versie machet mir a große Freud.«

Ond no hat se aber a kromms Kreuz kriegt ond isch en dene Wernersche Astalte en Ludwigsburg glege ond ghoilt worde. Ond anno 1866 isch ihr große Jugendliebe bei Tauberbischofsheim gege die Preiße gfalle. Ond zwoi Jahr druff isch ihr jöngster Brueder vom Gaul ragfloge ond nemme gsond worde ond sui hat ihn treulich pflegt.

Ond anno 1875 hat se no doch no gheiratet, den 17 Jahr ältere Rechtsawalt Karl Friedrich von Schumacher, »den allerbesten Mann der ganzen Welt«. Der hat als Privatsekretär von dr Keenigin Katharina ihrem arme Mädle, dere Prinzessin Marie em Wilhelmspalais gschafft ond drnach au no als Vermögensverwalter für dui Herzogin Wera ond onsern guete ond letzte Keenich Wilhelm.

Ond ihr stattlichs Haus beim Olgaeck, en dr Olgastraß 33, »machte sie zu einem Zentrum der Gastfreundschaft und der Menschenfreundlichkeit«. Vom Nobelpreisträger Paul Heyse bis zom »fahrende Volk«, älle send ihr willkomme gwä, ond äll Jahr an Keenichs Geburtstag hat a jeder Stadtstreicher a Gläsle Wei ond a Stückle Träubleskueche kriegt. Den hend die Fürsorgezögling, wo se bei sich uffgnomme hat, bache därfe.

Ausgrechnet zwoi so feine ond guete Leut krieget koin Nachwuchs. Aber statt daß se verbittert wäret, hend se Kender aus dr halbe Stadt zu ihre Kenderfest eiglade. Ond se hat so a Freud ghet an alte Puppe ond alte Krippe ond hat mit dr Zeit a richtigs Museum zammekriegt. Ond älle hend's agucke därfe.

Ond ame scheene Tag erbt se des ganze Mobiliar von dr Königin Luise von Preißen aus Memel ond richtet a »Luisenzimmer« ei. Ond isch ja selber so a große Wohltäterin gwä. »Sie griff überall dort ein, wo sie Not und Elend sah.« Bloß a paar Beispiel: Se läßt arme Kerle studiere, stiftet Märktweible a Gebiß, rettet Künstler vorem Verhongre, oder sorgt drfür, daß mr dem Christian Wagner, dem Baurehölderlin aus Warmbronn, seine Vers druckt ond steckt'm emmer wieder amol a Goldstückle en Tasch.

Des Geld drfür hat se verdient mit ihrer Schriftstellerei. Seit 1895 schreibt se nämlich oin Bestseller om de andre, insgesamt über 50 Büecher, hauptsächlich für Kender. Ond ihre berühmteste, des »Reserl am Hof« (1898, 20.Auf1.1955) ond des »Turmengele« (1901, 27.Auf1.1950) hat des Stuegerter Fernsehe ganz lieb ond schee verfilmt, ond sogar dr Martin Schwab vom Wiener Burgtheater hat da mitgspielt. Könntet se doch eigentlich amol wieder zeige.

Ond des Geld von dene Büecher hat se älles »ausschließlich für wohltätige Zwecke verwandt«. Aber no isch ihr Ma ogschickt gfalle ond zorn Pflegefall worde ond an Karfreitag 1915 gstorbe. Ond ihr Verleger hat se au no »skrupellos übervorteilt", so daß »sie am Ende des Krieges in echter Not lebte" ond »von einem Tag zum andern ihre Wohnung verlor«.

En de Wernersche Astalte en Ludwigsburg hat se mit ihrem treue Denstmädle Marie zamme zwoi Zemmerle kriegt ond no uff ihre alte Täg dort dene kranke Kender helfe könne. Bis zom letzte Herzschlag am 10. Juli 1931, ond no hat mr se zu ihrem Ma uff de Pragfriedhof glegt. Ond des armselige Grabstoile isch emmer no da. Ond dronternei lieget da sogar Bleamle druff.

»Als vielgelesene indirekte Erzieherin und als heitere Unterhalterin der Kinder hat es die kraftvolle und charakterfeste Frau verdient, unter den namhaften schwäbischen Jugendschriftstellerinnen genannt zu werden.«

Der Räuberhauptmann
O Land, Land, Land höre die grausliche Geschichte vom Landräuberhauptmann Teufel, genannt der »Schwarze Erwin«.

Es war einmal ein braver Bauernbub in Zimmern ob Rottweil. Der schaffte mit der Mistgabel in seines Vaters Kuhstall und schwitzte und schaffte und schwitzte.

Da kam die böse Fee herein, Fee herein, Fee herein und säuselte ihm sanft in seine schönen schwäbischen Segelohren: »Warum denn aber so schuften im Kuhstall? Erwin, geh doch lieber zu den Schuften in die Politik, im Saustall schafft sich's doch viel leichter !«

Das begriff der später so beratungsresistente Erwin und setzte sich sogleich aufs hohe Roß und wurde anandernach Stadtschultheiß, Landtagsabgeordneter, Staatssekretär, Fraktionsvorsitzender und schließlich sogar Ministerpräsident, aber nur, weil sein Parteifeind, der gute Lothar Späth, »zu Euch, o ihr schönen Inseln Ioniens« gesegelt, »das Land der Griechen mit der SEL suchend«, die Segel gestrichen hatte.

Da saß er nun in der Villa Reitzenstein, und wieder inmitten vieler Ochsen und Rindviecher, sinnierte lange herum und sagte endlich zu sich:
»Du, Erwin, soll das eigentlich schon alles gewesen sein ?«

Da kam die böse Fee herein, Fee herein, Fee herein, streichelte ihm zärtlich über sein unterdessen künstlich errötetes Haupthaar und flüsterte ihm diabolisch zu: »Du bist viel zu brav und anständig, so wirst du nie und nimmer in die Geschichtsbücher eingehen! Wandle dich, wechsle dein Imätsch! Willst du unsterblich und nie vergessen werden, so denk doch mal an den >Schwarzen Veri<, den oberschwäbischen Räuberhauptmann, oder an den Griechen Herostrat.«

Und weil er für alles Schwarze sehr empfänglich ist, setzte ihm die Fee einen Floh ins Ohr:
»Werde ein >Schwarzer Erwin<, raube und stehle, und werde ein Herostrat, zerstöre deine Heimat!«

Weil aber die zu Füßen seiner Villa gelegene Haupt- und Residenzstadt Stuttgart schon in die Hände von anderen Räubern gefallen und bereits durch auswärtige Bomberpiloten und einheimische Kommunalpolitiker zerstört worden war, lenkte er seine finsteren Blicke weiter südwärts und entdeckte vom Polizeihubschrauber aus die schönen, fruchtbaren Felder der Filder.

Und da sagte er sich: »Du Erwin, die mußt du rauben und kaputtmachen, das werden dir die Leute nie vergessen !« Denn als Bauernbub wußte er natürlich, so gute Böden wie die auf den Fildern gibt's auf der ganzen Welt nur ganz wenige. »Bravo!« rief die böse Fee in seine mittlerweile schon etwas tauben Ohren: »Vergiß das neunte Gebot, du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Ackers! Du kannst ihn doch mit einem Schein des Rechtes an dich bringen !«

Und der Räuberhauptmann sammelte als Spießgesellen eine ganze Rotte von rigorosen Rechtsverdrehern um sich, und geboren war das Meisterschurkenstück des »Landesmessegesetzes«. Ein Musterbeispiel Potemkinscher Demokratie.

Und vergessen war in Erwins vorderösterreichischem Schwabenhirn, was einst sein guter, alter Amtskollege Reinhold Maier den amerikanischen Besatzern zurufen konnte: »Mir hend en Wirteberg scho en Landtag ghet, da isch Euer Columbus no uffm Scheißhäfele ghockt!« Ond oms Nomgucke drohte aus der »Graswurzeldemokratie« eine »Grasdackeldiktatur« zu werden.

Hier endet vorläufig die grausliche Kriminalhistorie. Wie geht sie weiter?

Wird es der »Schwarze Erwin" in seinem Caesarenwahn schaffen, das Gottesgeschenk der Filder, die Speisekammer des Landes in guten wie in schlechten Zeiten, endgültig zu zerstören?

Wird es ihm mit seinen saumäßigen Säutreiberschulden gelingen, dem sparsamen schwäbischen Steuerzahler mindestens 1 612 000 000 (in Worten: eine Milliarde und sechshundertzwölf Millionen) Mark aus der Tasche zu ziehen? Für eine Messe, die außer der Beton- und Asphaltmafia niemand will. Die selbst der öberste Industrielobbyist der Republik für kropfunnötig und für einen ökonomischen Schwachsinn hält.

Kann denn dieser machtbesessene Bauernknabe tatsächlich die rechtschaffenen Filderbauern von ihrem jahrhundertealten Besitztum verjagen?

Die Filderbewohner wehren sich mit Herz und Hirn gegen diesen Wahnsinn und rufen ihren Landsleuten vom Bauland bis zum Bodensee, vom Rhein bis an die Iller, von Boxberg bis nach Wyhl, mit Talleyrand zu: »Die milliardenteure Betonierung dieser 6000jährigen Bauernlandschaft ist schlimmer als ein Verbrechen, es ist ein Fehler! Die Filder sind sakrosankt. Finger weg von den Fildern !«

Und sie hoffen mit dem Müller von Sanssouci:
»Es gibt noch ein Kammergericht in Berlin !«
»Wach auf, wach auf, du wirtembergisch Land! Du hast genug geschlafen !«
Wir fragen dich mit dem uralten Propheten Habakuk: »Warum siehst du denn den Räubern zu und schweigst?«

Nieder mit dieser Messemafia! Kein Bauernland in Bonzenhand!
»Und wenn die Welt voll Teufel wär!
Zum Teufel mit dem Teufel und seiner Messe! Finger weg von unsern Fildern!«

Trauriger Nachtrag:
Im Sommer 2004 konnte der Teufel (»Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist«) einen Judas unter den Bauern bestechen und daraufhin mit seinen Baggerzähnen sein grausames Zerstörungswerk beginnen.

Im Frühjahr 2005 aber mußte er die Villa (Brech-)Reitzenstein verlassen und hockt jetzt als Hinterbänkler im Landtag. Manche seiner Spießgesellen wurden schon vorher abgestraft und mußten zwangsweise ihren Hut nehmen. Nach uns die Sintflut!

An dieser Stelle sollte eigentlich eine Aufzählung der Namen jener Messdiener, die sich um und an der Coventrierung der Filder verdient haben, und die entsprechende alphabetische Zuordnung aus Thaddäus Trolls »Schwäbischer Schimpfwörterei« folgen. Aus formaljuristischen Gründen lassen wir aber doch lieber Heinrich Heine zu Wort kommen:
»Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Das Filderkraut Wuchs dort so hoch,
Die Dummchen nickten sanft, jetzt ist's versaut. «

»Wer dankbar ist für die Schöpfung, wird sie bewahren.«
Erwin Teufel 1999

»In einer ökonomischen Scheinwelt staatlicher Subventionen finanziert der Steuerzahler jene Ressourcenverschwendung, die das deutsche Messewesen in ein irreführend rosiges Licht setzt.«
Prof. Dr. Robert Freiherr von Weizsäcker 2005

»Als Kind war ich ständig auf meinem Fahrrad unterwegs. Ich erinnere mich an riesige freie Grasflächen und an eine Luft, die nach Meer und Blüten roch. Was haben wir daraus gemacht? Wohin das Auge reicht - Beton. Los Angeles und seine Vororte sind heute eine einzige gigantische Autobahn. Mein Herz gehört dem Südwesten Amerikas, dort bin ich geboren.
Es macht mich unbeschreiblich traurig, daß immer mehr von dem, was diese phänomenale Landschaft einst ausmachte, zubetoniert wird und nach und nach verschwindet.«
Robert Redford 2004

»Als Kind war ich ständig mit meiner Radelrutsch unterwegs. Ich erinnere mich an saftige Wiesen, weite wogende Weizenfelder, an riesengroße Kraut- und Grombiereäcker und an eine (Degerlocher Höhen-)Luft, die nach Wald, Blüten und Mostobst roch. Was haben wir daraus gemacht? Wohin das Auge reicht - Beton. Stuttgart und seine Region sind heute ein einziger Städtebrei. Mein Herz gehört dem Südwesten Deutschlands, dort bin ich geboren. Es macht mich unbeschreiblich traurig, daß immer mehr von dem, was diese phänomenale Landschaft einst ausmachte, zubetoniert wird und nach und nach verschwindet.«


Gerhard Raff 2005