25. Auflage | 144 Seiten | 15,50 Euro
Seit dem 8. Mai 1973 und bis heute darf Gerhard Raff in der »Stuttgarter Zeitung« seine bei der Leserschaft ihres Dialekts und ihrer Dialektik wegen so beliebten schwäbischen Geschichten und
Glossen veröffentlichen.
Für die Druckrechte seiner »Gschichtle« interessierten sich im Laufe der Jahre insgesamt neunundzwanzig (nicht nur, aber hauptsächlich im Ländle beheimatete) Verlägle und Verlage. Die allesamt
mit dem in schönstem Stuttgarter Amtsdeutsch gehaltenen Hinweis vertröstet wurden, dass sich »der Verf. b. a. w. mit der Menschheit nur noch in hochadeligem und verwestem Zustand abgeben« wolle,
nach Abschluss seiner Promotion aber »die freundlichen Angebote in der Reihenfolge ihres Eingangs einer wohlwollenden Überprüfung unterziehen« werde.
Anno 1985 erhielt dann die No. 2, der nach seinem Rauswurf durch die Nazis das »Dritte Reich« als Rotenberger Wengerter überlebt habende Felix Berner als Cheflektor der Deutschen Verlags-Anstalt
in Stuttgart den Zuschlag (Der Verlag No. 1 in Kißlegg war mittlerweile schon den Bach runtergegangen).
Mit diesem, noch im selben Jahr mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichneten schwäbischen Klassiker »Herr, schmeiß Hirn ra!« ist er laut DVA-Verleger Ulrich Frank-Planitz weltweit »der
meistgelesene Dialektautor der Gegenwart« geworden.
Einige von vielen Lobeshymnen:
»Für Gerhard Raff mit herzlichem Dank für sein entzückendes Gegenstück
zu meinen schwäbischen Gedichten«
Josef Eberle / Sebastian Blau,
Widmung in seinem allerletzten Buch »Auf der Schiffschaukel « 1985
»Der Geist ist rege – reger noch
Ist er jedoch - im Degerloch.
Und das beweisen, man ist baff,
der Theo Heuss und Gerhard Raff.
Der Herr schmiß beiden, nicht zu knapp,
Vom Himmel reichlich Hirn herab...«
Bundespräsident Richard Freiherr von Weizsäcker 15. Januar 1987
(Er hatte das Buch - vom Verf. gedeger-locht und mit einer kalligraffischen Signatur versehen -
»In großer Dankbarkeit, daß es in Bonn neben so vielen Hurglern und Hamballen auch noch solche Prachts- und Hauptkerle wie unseren Landsmann, den Dr. Richard Carl Freiherr von Weizsäcker gibt,
und für das unverdiente Glück, einen solchen Menschen zum Bundespräsidenten zu haben, demselbigen überreicht mit dem allertiefsten Bedauern, daß er anno 66 nicht Ministerpräsident von Württemberg
werden durfte, und mit allen guten Wünschen fürs xon-tsai !
Gerhard Raff / Deger---Loch / Christtag 1986«
von einer Cousine zu Weihnachten geschenkt bekommen.
Siehe auch »Mehr Hirn !«)
»Sie sind der Mozart der Mundartdichtung.«
Albrecht Goes 1988
»Ihr schwäbisches Buch hat mir etliche gute Stunden gebracht. «
Heiner Hesse 1995
»Seit Hölderlin hat mir kein Schwabe soviel Freude gemacht wie dieser Raff.«
Werner Walther de Reconvilier 2003
»Ich danke Ihnen für Ihr wunderbar köstliches Büchlein, das ich gleich verschlungen habe und an dem ich mich während des Lachens manchmal fast verschluckt hätte – Es ist immer wieder ein großes
Vergnügen, Sie zu lesen!«
Matthias Richling - »Der schwäbische Voltaire« 2013
»I han a Saufreid an Ihrem Buch 'Herr, schmeiss Hirn ra!'
Sie send a Schenie! Send Se doch so gut ond bittet de Herr
om a paar extra Portiona fir Washington -
do hend se's needicher wie sonschtwo. «
Edith Leslie, Toronto 2018
* Als die altehrwirtembergische Deutsche Verlags-Anstalt anno 2000 ihre Mitarbeiter auf die (Neckar-)Straße geschmissen hat, aus Stuttgart abgehauen und nach München verzogen ist (wo sie
mittlerweile unter dem passenden Namen »Random House« firmiert), haben deren Bestsellerautoren Manfred Rommel und Gerhard Raff - ohne sich vorher abgesprochen zu haben - diese Firma aus Protest
verlassen...
Vorwort
In jenen fernen Tagen vor der Ölkrise von anno 1973, als der wirtschaftswunderliche Fortschrittsglaube noch ungebrochen war, da wuchsen plötzlich allerorten barbarische Betonbunker aus der
heimatlichen Erde, und es fanden sich tatsächlich Leute, die diese architektonische Umweltverschmutzung als »städtebauliche Akzente« und »Wohltaten des 20. Jahrhunderts« bejubelten. Als dann
sogar mein im Krieg unzerstört gebliebenes Heimatdorf Degerloch auf den Fildern, dem meine Familie seit der Besiedlung in grauer Vorzeit agrarisch verbunden ist, allen Ernstes in einen Betonklotz
verwandelt werden sollte, da gelobte ich bei meinen Degerlocher Ahnen, gegen diesen profitablen Wahnsinn anzugehen und meiner Lebtag lang allen Hurglern, die sich an der Verschandelung und
Zerstörung unseres Heimatlandes erfreuen und bereichern, nach besten Kräften das süße Leben zu versauern.
Erfreulicherweise ergab es sich in jener Zeit, daß die Stuttgarter Zeitung Bedarf für einen Mundartschreiber hatte, und so begann ich, schwäbisch zu schreiben, in der als Bauernsprache
verachteten und vom Verschwinden bedrohten Muttersprache eines Friedrich Barbarossa, Schiller und Hölderlin.
Den Widerspruch zwischen meinen satierischernsten Absichten und dem Wunsch nach Schätzle-Spätzle-Kehrwochen-Geschichten verkraftete ich anfänglich, indem ich meinen Texten ein, zwei kritische
Sätzlein unterjubelte. Nach einiger Zeit war es mir dann vergönnt, sehr gelegentlich auch Geschichten loszukriegen, die meiner obgenannten Lebensaufgabe wenigstens ein bißle gerecht wurden. Und
neben der Zustimmung einfacher Gemüter erfreuten sie sich allmählich auch wachsender Wertschätzung im Professoren- und Intellektuellenmilljöh. Höhepunkt des geistigen Schaffens war jedoch jener
Tag, da eine der schwäbischen Glossen in den internationalen Pressestimmen der FAZ zitiert wurde.
Noch ein paar Bemerkungen zum Buch: Die schwäbische Sprache ist so reich an Lauten, daß sie mit den Buchstaben des Alphabets nicht auskommen kann. Manche Mundartisten verwenden eine »progressive«
Schreibweise, die aber trotz ihres exotischen Aussehens dem Lautklang auch nicht näher kommt.
(So bedeutet etwa »i ben oganga« keine Gleichsetzung mit dem Urwaldarzt Albert Schweitzer, sondern schlicht: »i ben agange«, also auf jemand oder etwas hereingefallen.)
Mit Rücksicht auf die Länge der Texte und auf die Leser, die es Segens, als Schwabe geboren zu sein, nicht teilhaftig wurden, habe ich auf Anraten des
StZ-Gründers Prof. Dr. h.c. Josef Eberle alias Sebastian Blau die humanere, leichter lesbare Schreibweise bevorzugt.
Den Buchtitel »Herr, schmeiß Hirn ra!« verdanke ich auf Vorschlag meiner Mutter dem Oberbürgermeister einer von ihm der brutalen Betonierung preisgegebenen Großstadt im Nesenbachtal, der diese
Worte in einem launigen Leserbrief von sich gegeben hatte. *
Bei dem nach der Gottesgabe Hirn ausgreifenden Pärchen auf dem Schutzumschlag handelt es sich um die Sibylle von Tibur und den Kaiser Augustus nach dem Basler Altargemälde unseres Landsmannes
Konrad Witz aus dem Museum der Schönen Künste von Dijon.
So liegt hier ein Buch vor, dessen Titel »einer der nachdenklicheren Männer der westdeutschen Politik« und Träger des »Ordens wider den tierischen Ernst« formuliert hat und das bereits auf dem
Umschlag einen echten Witz vorweisen kann.
Und weil zu einem solchen Buch anstandshalber auch eine Widmung gehört, so widme ich es all jenen lieben Menschen, die in mir die Freude an der Heimat, ihrer Geschichte und ihren Geschichten
geweckt und wachgehalten haben, zuvörderst dem Andenken meiner herzensguten Großmutter Luise Raff
(1887-1980), die als einfache Bauernfrau mit fast 93 Jahren noch mehr Verse von Schiller, Hölderlin, Uhland, Mörike und aus Bibel und Gesangbuch hersagen konnte als alle Abiturienten in
Württemberg miteinander.
Ohne sie wären diese Geschichten nie geschrieben worden.
Degerloch, den 18. Januar 1985 Gerhard
Raff
Chinäbisches
(1. April 1974)
Der international bekannte Schweizer Völkerkundler Professor H. Selwyle-Moine von der Universität Appenzell hat in seiner jüngsten Veröffentlichung »s »Bilaterale Strukturen multifunktionaler
Infrastrukturalregionen unter besonderer Berücksichtigung Schwabens und Chinas« (Eidgenössische Verlags-Anstalt St. Gallen 1974, sfr 34.-) mit seiner These von einer chinesischen Urbevölkerung
Schwabens bei Wissenschaft und Öffentlichkeit weltweites Aufsehen erregt.
Ausgange isch der Professor von der Beobachtung, daß eigentlich älle schwäbische Haustierle chinesisch schwätzet: miao-miao, wao-wao, mu-mu oder ki-ke-ri-ki. Ond er hot messerscharf überlegt, daß
die des bloß bei de Chinese selber hend lerne könne.
Entweder send no die Viechle aus China zu ons komme - ond des isch net guet möglich. Denn bis so a Katz die 7963 Kilometer von Peking nach Degerloch romlauft, wär se en dr Mongolei verdurstet, en
Sibirie verfrore, en de Karpate am Spieß brate oder hätt en Leipzig sächsisch lerne müsse.
Die ander Möglichkeit isch die, daß die Tierle ihr Sprach bei ons von de Chinese glernt hend. Ond des heißt doch nix anders, als daß onser Schwabeländle ganz früher amol a Chineseländle gwä
isch.
Diese frühchinesische Besiedlung lang vor der keltischen, römischen und alemannischen Landnahme beweist der Professor mit Ortsname rond om Stuegert. Er stellt sechs chinesische Ballungsgebiete
fest: Remstal (Bak-Nang, Wai-Bleng), Gäu (Di-Tseng, Beb-Leng, Sen-Del-Pheng), Neckartal (Plo-Cheng, Di-Beng, Tsi-Tsi-Shao-Sen), Albvorland (Me-Tseng, Nei-Phen, He-Psi-Sao,
O-Xen-Wang), Alb (Men-Seng, Lai-Cheng, Ge-Peng).
Am meiste Chinesedörfer aber fendet mr uff de Filder: Phai-Heng, Mai-Reng, Plä-Neng, Aechtr-Deng, Siel-Meng, Nä-Leng). Ond von dene von (Kadolisch-) Nei-Hao-Sen hoißt's ja heut no, se seiet halbe
Mongole.
Zeichnung: Sepp Buchegger
En weitere Beweis brengt der Professor mit der erbbiologische Tatsach, daß' s en China overhältnismäßig viel Schlitzauge, bei de Schwabe aber en Haufe Schlitzohre häb. Ond daß en Stuegert dahonne
a manche(r) grad so gschwolle dät, als wär er (sui) a gschwistrigs Kend vom Kaiser von China seire Schwiegermuetter ihrer Dötesbas.
Den überzeugendste Beweis für sei These fendet der Professor Selwyle-Moine aber en dr schwäbische Sprach selber. Er stellt fest, daß älle schwäbische Urlaut chinesisch send:
Ha-no, Ha-noi, Hai-de-nai, Ha-tschi, Du-mi-ao! Du-dao-be-Sao!
Ond er zählt no weitere 611 Wörter uff, wo en boide Sprache vorkommet (Xang-Buch, Tsei-Dong, Hai-Tsong, Ba-Twan, Ble-Tsen, Tsan-wai, etc.).
Ond hie wie dort hoißt a bissiges Weibsbild Tsang oder Tsi-Be-Be, ond die Ma-Tscho send Hai-Ni ond Kender oft Bo-Tse-Le.
Ond daß au dr letzte Zweifler no überzeugt wird von seiner Theorie, brengt der Professor authentistische Beispiel von Onterhaltonge zwischen Chinese ond Schwabe:
Beim Boxeruffstand en China anno 1900 hend sich die preußische Kommißköpf gwondert, wie schnell ihre intelligente wirtebergische Kombattante die Landessprach, des Mandarin, glernt ghet hend,
dieweil die äll Morge gweckt worde send: »He-Du-do. Uff-stao ! Tson-tschain-tschao-lang !«
Oder wie amol dui Pekinger Volksoper en Stuegert gwä isch zom Kulturaustausch, da isch so a Sänger gfragt worde: »Ha-no, ets-laß-no-mi-gao, aus Pe-King-sen-tse-on-tsen-ge-den-tse !
No-hen-tse-ao-schao-ts'Bak-Nang-xon-ge?« Antwort: »Ha-noi, do-lang-tmai-tsei-tet-nom !«
Oder wie em Mao sei Verkehrsminister, dr Om-Lai-Dong, bei ons gwä isch, hend se dem au die scheene Autobahne ond Bundesstroße vorgführt. Ond wie no a paar so Saudackel vorbeigrast send, als
wölltet se oms Verrecke ens Gras beiße, hot dr Om-Lai-Dong bloß gmoint: »Tlei-Tsen-Tsei !«
Bei äller Logik ond Akribie isch dem Professor aber doch a kleiner Irrtum onterlaufe (S. 219): Dr Mao C. Tung isch net dr Ururenkel, sondern dr Urururenkel vom Johann C. Tung, dem Bäckergsell aus
Bempflingen/Württ., der wo onterm Herzog Carl Eugen nach China ausgwandert isch.
Dies ändert aber nichts an dem hohen wissenschaftlichen Rang des Werkes, das Professor S5elwyle-Moine mit einem Zitat des zu Unrecht vergessenen großen chinäbischen Philosophen Hu-Tse-Le aus
Mai-Reng († 1. April 769 v. Chr.) beschließt. Auf die Frage, was das Wichtigste sei auf dieser Erde, sagte dieser: »Xon-tsai ! Wa-wit-mai ?«
Anm.: Die begeisterte Leserschaft schrie lautstark nach einer Fortsetzung. Am 1. April 1975 erschien »Chinäbisches II«, am 1. April 1976 »Chinabisches III«. Dann starb der Große Vorsitzende und
Massenmörder Mao C. Tung.